(Beiträge zur Familien- und Namensforschung Dringenberg, 4) |
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Geert Groote | |
Thomas a Kempis | |
Erasmus von Rotterdam | |
Louis Dringenberg | |
Martin Luther |
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Begriff und Entstehung
Die devotio moderna (= neue Frömmigkeit) gilt als die bekannteste und wirksamste religiöse Erneuerungsbewegung des Spätmittelalters mit Nachwirkungen auf beide christliche Kirchen der abendländischen Neuzeit. Als eigenständige Frömmigkeitsbewegung, die einen dritten Weg zwischen weltlichem und klösterlichem Leben zu gehen versuchte, drückte sie nicht nur Kritik an bestehenden Verhältnissen aus, sondern sie war zugleich Ausdruck eines neuen Geistes, der dem Humanismus verwandt ist, und Wegbereiter weltlicher und kirchlicher Erneuerung im Übergang zur jüngeren Geschichte. Gegen Ende des 14.Jh. erstmalig nachweisbar, überdauerte diese Geistesströmung als praktizierte Bewegung ihre intensive Ausbreitung im 15.Jh. nur noch kurze Zeit bzw. an wenigen Orten.
Der Begriff devotio moderna wird Henricus Pomerius 1420 zugeschrieben. Den Ursprung der devotio moderna sieht man im Wirken von Gerhard (Geert) Groote (1340-1384) und ihren namhaftesten Anhänger in Thomas Hemerken, genannt (nach seiner Heimatstadt) Thomas von Kempen (Thomas a Kempis; um 1380-1471). Die Bewegung strahlte von den Niederlanden, insbesondere dem Ijsselgebiet, aus und verbreitete sich über weite Gebiete Deutschlands, vor allem im Rheinland und im Elsass. Eine geistesgeschichtliche Nähe zum Humanismus und zur Renaissance standen dem Eingebundensein in die römische Kirche nicht im Wege. Aber die Attraktivität der neuen Kirche des 16.Jh. (die Reformation) lässt den Schrumpfungsprozess nach 1520 nachvollziehbar erscheinen.
Geert Groote stammte aus gut situierten bürgerlichen Verhältnissen und verstand es offenbar, sein ihm zugedachtes Leben zu genießen, bis er frommen Männern begegnete, deren Einfluss seinen Alltag gründlich ändern sollte. Er stellte seine materiellen Güter einer neuen Idee, dem neuen Leben und Wirken zur Verfügung, das fast 50 Jahre später (und etwa 35 Jahre nach seinem Tod) devotio moderna genannt wurde.
Groote wurde Laienprediger (Bußprediger), niemals zum Priester geweiht, aber in den Stand des Diakon getreten, um seine missionarische Tätigkeit leichter ausüben zu können. Obwohl zunächst vom Bischof von Utrecht hierzu autorisiert, musste er früher oder später den Argwohn und das Misstrauen der etablierten Kirche wecken und erhielt Predigtverbot denn er fand bald viel Zustimmung und Anhängerschaft. Sein Erfolg gründete auf der Kraft seines gesprochenen Wortes und vermutlich nicht zuletzt auf dem Erneuerungsbedarf seiner Zeit. Sein Denkmodell und seine Handlungsmaxime zielten auf ein Gott geweihtes Leben ohne Gelübde (also ohne klösterliche Bindung im herkömmlichen Sinne).
Ein großes Anliegen der damaligen Zeit war das der religiösen Reform. Man hatte die Frömmigkeit der Wüstenväter, der Urgemeinde vor Augen und versuchte im Gefolge von Meister Groote durch eine neue Innerlichkeit, eine ganz persönliche, auf Christus gerichtete Frömmigkeit, durch stetige Meditation und durch Schriftlesung sein Heil zu finden. (So blieb es ein Privileg der Gebildeten.) Es entsprach im Übrigen dem Geist aller Strömungen dieser Zeit, neue Wege durch Rückbesinnung auf die ganz alten Vorbilder gehen zu wollen. Und es war ein Versuch der Christenmenschen zur Mündigkeit.
Die Brüder vom gemeinsamen Leben
Die Lebensweise des dritten Weges ließ sich in Laienbruderschaften realisieren. Die Praxis der neuen Frömmigkeitsbewegung konkretisierte sich in den Vereinigungen der Brüder vom gemeinsamen Leben (fratres communis vitae), das erste Brüderhaus aber nicht von Groote selbst geschaffen stand in Deventer und erfuhr schnell zahllose Nachgründungen landauf, landab. Aber Groote errichtete auch schon 1379 die Niederlassung der Schwestern vom gemeinsamen Leben, deren Zahl ebenfalls rasch wuchs.
Aus dem Einflussbereich der Brüderschaften heraus entstand als eigene Bewegung in Windesheim an der Ijssel bei Zwolle ein Augustiner-Chorherrn-Stift* und in dessen Gefolge die Windesheimer Kongregation, die wiederum ältere Augustinerklöster und andere mehr reformierte. So wirkte die devotio moderna auch in das Mönchtum hinein. * Hierzu ein Foto aus 2003: nur die ehemalige Brauerei des Klosters ist erhalten, die man schon im 16.Jh. in eine Kirche umwandelte. |
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Aber die Brüderschaften selbst lebten extra religionem, legten kein Gelübde auf Lebenszeit ab, strebten jedoch den drei Mönchsidealen nach: Gehorsam, Keuschheit und Armut. Und sie fanden eine Lebensform mit gemeinschaftlichem Besitz. Ihr Alltag galt neben der morgendlichen Meditation und der Bibellesung großenteils der Arbeit, anders als in den meisten Orden. Hinzu kam eine besondere Form der Predigt (Collatien), die man durch Rückfragen, also dialogische Elemente zu unterbrechen pflegte.
Im Grunde ging es wohl in der devotio moderna weniger um neue Inhalte des religiösen Lebens und seiner Grundlagen, sondern vielmehr um eine neue innere Haltung.
Unter dem Einfluss eines Augustiner-Chorherrn formte sich die geistliche Kraft und die geistige Wirkung des Thomas a Kempis im Aufbruch einer Zeit, die inzwischen von den Segnungen der Buchdruckkunst zu profitieren begann (um 1455 entstanden die Vulgata ebenso wie die Mainzer Ablassbriefe in Gutenbergs Werkstatt). Thomas werden die vier Bücher von der Nachfolge Christi (De Imitatione Christi, um 1420) zugerechnet, die nach der Bibel als das verbreitetste christliche Werk gelten. Thomas trat nach seinem Kontakt mit den Brüdern vom gemeinsamen Leben in das neu geweihte Chorherrnkloster St. Agnes bei Zwolle ein und wirkte dort 70 Jahre lang. In der Zwoller Basilika Onze Lieve Vrouwe Basiliek findet sich heute ein Gemälde (aus dem 17.Jh.), das Thomas vor dem Agnetenberg-Kloster zeigt [Bild oben]. Auf dem Agnietenberg steht heute vor einem großen Friedhofsgelände ein Denkmal zur Erinnerung an Thomas. [Bild rechts] |
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Die Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben haben offenbar einen großen Anteil an der Verbreitung des geschriebenen christlichen Wortes und damit einen hohen Verdienst an der Bildung in deutschen Landen erworben. Aber auch in der personalen Weitergabe des Wissens taten sie sich hervor, weniger in eigenen Schulen als durch Lehrer, die sie den Schulen stellten. Wenngleich dabei die Frömmigkeit der Lehrer meist mehr bewirkte als etwa neue Unterrichtsmethoden, so sind doch die Früchte dieser Geisteshaltung sehr wohl auch im Wirken von Lehrern aus dem Kreis der Brüder im Sinne eines neu aufkommenden pädagogischen Verständnisses bekannt geworden, wie am Beispiel von Ludwig (Louis) Dringenberg (1410/15-1477) gezeigt werden konnte [mehr]. Es gab unvermeidlich eine Fülle von Berührungspunkten zum Humanismus, etwa in der Person des Erasmus von Rotterdam (1466/69-1536), der in Deventer bei den Brüdern lernte. Auch Agricola oder Celtis wurden von diesen Einflüssen geprägt. So nahm die nördliche Variante des Humanismus einen Verlauf, der deutlich stärker sittlich geprägt war als im Süden und auch als christlicher Humanismus bezeichnet wird und dennoch das Ende der mittelalterlichen Theologie bedeutete (Lilje:44). |
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Erasmus von Rotterdam
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Die Reihe der Artikel zu "Notizen der Geschichte" im Rahmen der DRINGENBERG-Forschung befindet sich noch im Aufbau. |
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R.D. fecit 2003 |