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Johannes Gutenberg

Johannes Gensfleisch gen. Gutenberg *1400 † 1468

Denker der Gegenwart sehen in der Entwicklung der letzten Jahrzehnte, dem Leben im "Informationszeitalter", eine neue Zeitenwende oder die "Genese einer neuen Welt" .Dies lenkt den Blick zurück auf eine Zeitenwende, die historisch bereits dieses Gütesiegel erhalten hat: auf den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Nicht die Macht der Herrschenden oder ihre politischen Entscheidungen stehen für das große Wort von der Zeitenwende, sondern es ist die Kraft des Geistes, der sich erfolgreich auf Entdeckungen begibt, in Kunst und Wissenschaft. Es ist die spektakuläre Tat eines Christoph Columbus, die den Weg in ein neues Zeitalter ebenso markiert, wie die technische Revolution des Buchdrucks mit beweglichen Lettern. In solchen Leistungen spiegelt sich das geistige Potenzial des (europäischen) Menschen im Aufbruch.

Drei Jahrzehnte in einem glücklosen Mainz

Johannes Gutenberg wurde vor gut 600 Jahren mutmaßlich in Mainz geboren. Man kennt die genauen Daten nicht, als Geburtsjahr wird ca. 1400 angenommen. Er stammt aus dem Patriziergeschlecht der "Gensfleisch zur Laden" und wird dem Brauch gemäß nach dem Elternhaus "zum Gutenberg" benannt. Über Kindheit und Jugend ist fast nichts bekannt (womöglich wurde er gar in Eltville geboren, wo seine Familie vorübergehend lebte). Auch sein Studium an der Universität Erfurt ist kaum mehr als eine plausible Annahme. Jedenfalls ist 1419 dort ein Johannes de Alta Villa (Eltville) als Baccalaureus belegt.

Mainz war zu dieser Zeit eine Stadt mit wenig glücklicher (Wirtschafts-)Politik, sie nahm nur unbedeutend am expandierenden Handel der aufstrebenden Städte teil. Seine Bevölkerung war durch die Pest auf weit unter 10.000 gesunken: von der Großstadt mit bis zu 25.000 Einw. war nur noch eine mittelgroße Stadt geblieben. Man lebte großenteils vom Konsum, namentlich vom Bischofssitz mit seinen vielen betuchten Klerikalen. Feine Stoffe, kostbare Handschriften und Goldschmiedearbeiten waren als Luxusgüter gefragt. So liest man immer wieder, dass auch Gutenberg das hoch entwickelte Handwerk des Goldschmieds und des Münzschneiders erlernt habe. Doch belegt ist das nicht, und die Standesschranken in Mainz sprechen dagegen: Vater Friele Gensfleisch war Patrizier (wenn auch ob seiner Ehe mit einer Bürgerlichen kein so lupenreiner, dass er "Münzerhausgenosse" geworden wäre).

Sühnebrief

Der Vertrag vom 28. März 1430 unter Vermittlung des Mainzer Erzbischofs war eigentlich als Kompromiss gedacht zwischen den alten Geschlechtern und dem Rat der Stadt: Man kam den Patriziern in der Frage garantierter Ratssitze etwas entgegen und ließ sie dafür zahlen (höhere Besteuerung). In die Geschichte ging der Vertrag als "Sühnebrief" (auch "Rachtung") ein. "Sühne" (aus mhd. "suone": Gericht, Versöhnung) geht auf altes germanisches Recht zurück und hat die Versöhnung zweier Parteien zum Gegenstand; so wurde eine Fehde durch einen "Sühnevertrag" beigelegt.

Zwischen den privilegierten Patriziern der Stadt und den um politischen Einfluss kämpfenden Zünften kommt es in Gutenbergs Zeit zu ständigen Auseinandersetzungen, die umso gravierender werden, als die Finanzlage der Stadt bedrohliche Ausmaße annimmt. Zwar bekleidet Gutenberg selbst kein öffentliches Amt (weshalb wenige Urkunden seine Vita begleiten), doch von Maßnahmen gegen Patrizier sieht auch er sich betroffen. So werden erhöhte Steuerlasten für Patrizier durchgesetzt, die um 1430 zu einem Exodus von Patriziern aus Mainz führen. Man geht davon aus, dass Gutenberg (wohl schon vor 1430) Mainz in diesem Zusammenhang verlässt.

Ein erfolgreiches Jahrzehnt in Strassburg

Constofler

Constofler waren gewissermaßen die "Patrizier" Straßburgs, die führende soziale Schicht, in der man von seinem Kapital lebte und kein Gewerbe treiben musste.

Gutenberg verbringt einen guten Teil seines mittleren Erwachsenenalters außerhalb seiner Vaterstadt, womöglich 18 Jahre. Belegt sind 10 Jahre in Straßburg (1434-1444), wo er u.a. als "Zugeselle" (Halbmitglied) der Goldschmiedezunft dokumentiert ist und als nicht voll berechtigter (weil nicht eingebürgerter) "Constofler".

Gutenberg, der als Drittgeborener keine üppige materielle Ausstattung aufweist, aber gewiss standesgemäß (aus-)gebildet wird, muss im jungen Erwachsenenalter Kenntnisse erworben haben, die ihn befähigen, in Straßburg eine eigene Werkstatt zu führen. Vermutlich werden in dieser Werkstatt entscheidende Voraussetzungen zur (späteren) Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern geschaffen. Gutenberg führt Geld und Arbeitskraft einer kleinen Gruppe von Männern (in einer "Genossenschaft") zusammen und verdient gut mit der Erstellung von Devotionalien. Es geht also um die Serienherstellung von Massenprodukten, es geht um Pressen, Gießen und Prägen und die Entwicklung von Rationalisierungstechniken.

aventur

"aventur" wurde seinerzeit eine Unternehmung mit offenem Ende, Risiko genannt, ein wirtschaftliches "Abenteuer"; "Kunst" war auch das handwerkliche Können.

Nur durch einen Rechtsstreit in Straßburg mit Erben eines Mitstreiters seiner Genossenschaft wissen wir um einen zweiten, streng geheim gehaltenen Arbeitsbereich Gutenbergs mit Namen "aventur und kunst" – und vermuten, dass man an der Erfindung des Drucks mit beweglichen Buchstaben arbeitete. In der Tat lag die Erfindung in der Luft. Überall arbeitete man daran, in Fernost (vor allem China) mag die Technik gar schon früher verfügbar gewesen sein.

Bis dato war man auf mühseliges Abschreiben von Hand angewiesen, in Klöstern und seltener wohl an Universitäten. Informations- und Wissensverbreitung aber verlangten schon lange nach größerer und schnellerer Verbreitung. Man experimentierte mit Holzschnitt, Kupferstich, Metallschnitt. Ob die weltweit bevorzugte Annahme, Gutenberg sei das erfinderische Genie, zutrifft oder nicht, ist von minderer Bedeutung. Statt Gutenberg mag es Brito, Castaldi, Coster oder Mentelin gewesen sein (alle im Verdacht, der "Erste" genannt werden zu dürfen). Bedeutsam bleibt es, dass mitten im 15.Jh. ein Genie vollendet hat, was andere gleichermaßen anstrebten und die Zeit dringend erforderte.

Triumph und Verlust in schnellem Wechsel

Ob der eigentliche Durchbruch nun um 1140 schon in Straßburg gelang oder erst ein Jahrzehnt später in Mainz, wird wohl kaum zu klären sein. Spätestens im Oktober 1448 tritt Gutenberg wieder in Mainz in Erscheinung. Obwohl in Straßburg erfolgreich, fehlt es ihm an Geld, um seine Erfindung in die Praxis umzusetzen. Johannes Fust ist wohlhabend genug und wird – ein gutes Jahr später – Finanzier und Geschäftspartner. Er bringt zudem seinen Schützling Peter Schöffer als Mitarbeiter unter. Man weiß nicht, wer genau welche Verdienste am Gemeinschaftsunternehmen trägt. Wiederum sind basale Informationen nur aus einem Rechtsstreit zwischen den Geschäftspartnern erhalten, Gutenberg profitiert von diesem Prozess nicht. Es kommt zu finanziellen Engpässen, womöglich verarmt der Meister zwischenzeitlich. Die Druckerei muss er aufgeben, nachdem das große Werk der Bibel (s. dazu auch Luther) in den frühen 1450er Jahren fertig gestellt ist. Doch die Liquidität im Alltag dieser Jahre scheint eher durch weniger spektakuläre Aufträge gegeben zu sein, besonders durch Ablassbriefe .

Wenn man sich angesichts der mageren Quellenlage fragt, wer denn nun Johannes Gutenberg eigentlich war, so verfügt man über wenige Eckdaten und im Zweifel viel Phantasie. Gutenberg war gewiss ein Patriziersohn mit bescheidener materieller Ausstattung. Seine Geburt und Erziehung lassen einen ideenreichen Mann heran wachsen, dessen Geschick und Fertigkeiten, wo und wie auch immer erworben, in seinem Schaffen sichtbar wird. Als Unternehmer bleibt er ohne Fortune. Sein materielles Überleben verdankt er dem Ruhm, der ihn schon zu Lebzeiten begleitet – und vielleicht die Nachbarschaft seines Familiensitzes zur Bischofsburg in Eltville. 1465 ernennt ihn der Erzbischof zum "Hofmann", ein Status mit materiellen und ideellen Privilegien. So ist der Lebensabend (ganze drei Jahre) gesichert.

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