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Chlodwig I.

* um 466/67 in Tournai † 27.11.511 in Paris
König der Franken, Begründer des Fränkischen Reichs



An der Wende des Zeitgeschehens
Die geopolitische Lage
Reichsgründung, Romanisierung und Christianisierung




An der Wende des Zeitgeschehens

Die zwei Seiten eines Herrschers: Chlodwig ist ein Kind des 5. Jahrhunderts, der wilden "alten Zeit," rücksichtslos und nach Macht strebend. Aber als christianisierter Reichsgründer ist er auch ein Vertreter der neuen Zeit, des beginnenden Mittelalters, das von ihm vorgeprägt wird.

Der Begründer des Fränkischen Reichs steht in besonderem Maße für die herausragende Stellung der Franken als Träger einer Grenzkultur in einer historischen Grenzzone: Geographisch am Rande des untergehenden römischen Imperiums gelegen, sind insbesondere die Franken von der antiken Hochzivilisation deutlich beeinflusst. Germanen, die seit dem 4.Jh. in die Welt der römischen Provinzen eintreten, sind zu Chlodwigs Zeit bereits zunehmend mit spätrömischen Lebensformen vertraut. Wie andere Germanen auch, am Rande der römischen Welt, müssen die Franken eine beträchtliche Integrationsleistung mit der romanischen Bevölkerung erbringen. Aber die historische Funktion des Frankenreiches wächst darüber hinaus, da Chlodwig das Machtvakuum zu füllen beginnt, das Rom am Ende der Spätantike im Westen Europas hinterlässt.

Die geopolitische Lage

Geboren wird Chlodwig in Tournai, heute südliches Belgien. Vater Childerich I. ist "König" der salischen Franken. Im frühen 5.Jh. sind die Franken in mehreren Kleinkönigreichen und Gaufürstentümern zu finden. Chlodwigs Familie dient zudem in den unteren Rheinlanden als Provinzgouverneure des Imperium Romanum. Anno 482 folgt Chlodwig seinem Vater auf dem salischen Thron und beginnt mit der Expansion seines Herrschaftsgebietes.

Letzter römischer Heerführer in Gallien ist Syagrius, der (in der heutigen Champagne) um Soissons ein kleines Reich bis Paris errichtet hatte. Diese - südlich an das salisch-fränkische Gebiet angrenzende - Region wird bereits 486 als erste erobert, die Grenzen nach Südwest sind damit von der Somme (Amiens) bis zur Loire vorgeschoben. 493 heiratet Chlodwig Chlothilde, Tochter des Burgunders Chilperich, und greift damit nach Burgund. In den Jahren um die Jahrhundertwende besiegt er die Alemannen bei Zülpich (Eifel) und bezieht deren nördliches, linksrheinisches Gebiet ein. Die Westgoten im Süden müssen nach der Schlacht bei Vouillé aus Aquitanien (zwischen Poitiers und Toulouse) weichen.

Parallel dazu baut Chlodwig seine Macht unter den fränkischen Stämmen aus: mit List und Tücke beseitigt er die anderen Gaukönige der Salier und Ripuarier und vereint sie zu einem großen fränkischen Reich. Vor Mordanschlägen und Gewalt auch im Familienverband schreckt er nicht zurück, ganz ein "Kind seiner Zeit". (Das sah aber auch unter seinen Nachfolgern im 6.Jh. nicht anders aus.) Im Jahre 508 nimmt er das letzte Gaufürstentum (Köln). Bis dato im Grunde nur ein "Herzog" unter den großen Herrschern seiner Zeit, verdient er eigentlich erst mit der (gewaltsamen) fränkischen Einigung den Titel eines Königs. Der oströmische Kaiser (Byzanz) lässt ihm ein Königsornat überreichen und nennt ihn Patricius und Ehrenkonsul. Der aktuelle Machthaber auf dem Boden des weströmischen Reiches (Ravenna) hingegen, der Ostgote Theoderich der Große, bremst Chlodwigs Eroberungsdrang aus (vgl. "6.Jh."): Ihm ist mehr an Einigkeit unter den germanischen Völkern gelegen, das erstrebt er als Gegengewicht zu Ostrom.

509 verlagert Chlodwig seinen Hof nach Paris und damit in das geographische Zentrum eines weit nach Süden ausgebauten Reiches, das nun seinen Sitz im romanisierten Gallien hat und von der Nordsee bis nahe den Pyrenäen reicht. Mit Chlodwig begründet sich das erste bedeutende Frankenreich der Merowinger, wenn auch nur politisch für relativ kurze Zeit, ehe mehr als zwei Jahrhunderte später das fränkische Karolingerreich an diese Grundlegung anknüpfen kann.


Reichsgründung, Romanisierung und Christianisierung

Dies alles trifft sich letzten Endes in der einen machtvollen und Symbol gebenden Figur des fränkischen Herrschers Chlodwig. Darin erkennt man auch das andere Gesicht dieser illustren Persönlichkeit der Zeitenwende. Hier beginnt das 6. Jahrhundert als Aufbruch in eine "neue Zeit," die als "Mittelalter" zwischen Rückbesinnung auf klassische Werte und Entwicklung zu neuen Gesellschaften bis in das 15.Jh. (und letztlich darüber hinaus) andauern soll.

Eine folgenreiche Taufe

Die Legendenbildung dichtet Chlodwig einen Schwur an, nach dem er für das Gelingen einer bedeutenden Schlacht gegen die Alemannen zum Christentum übertreten wollte. Auch die Geschichtsschreibung als politisches Instrument mochte sich gerne dieser Version bedienen. Doch vermutlich geschah die Annäherung des Frankenherrschers an den christlichen Glauben - als Leitkultur des römischen Reichs - sowohl aus politischem Interesse wie auch durch den ganz alltäglichen Einfluss seiner (längst getauften) Gemahlin Chlothilde aus dem Burgund.

Bis heute ist nicht geklärt, ob Chlodwig zu Weihnachten 496 oder eher in 498 oder gar erst 508 den christlichen Glauben annimmt. Bischof Remigius von Reims tauft ihn, und offenbar tun es ihm gleich Tausende seiner Gefolgsleute nach. Das Novum in der Christianisierung Germaniens besteht darin, dass Chlodwig nicht dem arianischen Glauben, sondern der römisch-katholischen Kirche den Vorzug gibt (Langobarden und Westgoten etwa sind Arianer).

Chlodwig schafft damit eine Kluft zu den germanischen Nachbarn, bewirkt aber eine innenpolitische Konsolidierung, denn er fördert die Integration zwischen romanischer und fränkischer Bevölkerung und sichert sich die Unterstützung der gallischen Bischöfe. Auch die Übernahme römischer Verwaltungsstrukturen, selbst ein wesentlicher Reichsbestandteil, kann auf der Gleichbehandlung seiner Bevölkerungsteile und auf ihrer kulturellen Assimilation effektiver aufbauen. So wird ein für die Zeit überraschend großes Reich möglich, das weniger unter der (in Germanien sonst üblichen) Uneinigkeit leidet und das als Modell eines späteren Europa gelten kann.

Romanische Kultur, wenn auch längst in den Niederungen des spätrömischen, provinziellen Alltags angelangt und mit germanischem Brauchtum versöhnt, wirkt über dieses frühe fränkische Reich weit in die abendländische Geschichte ein.

König bestätigt Bischofswahl

Chlodwig beruft 511 die 1. Synode des Frankenreiches nach Orléans. Die weltliche Gewalt gilt seitdem als gestärkt, der König wirkt fortan bei der Investitur der Bischöfe mit.

Und die Christianisierung erhält von nun an einen - auch weltpolitisch bedeutsamen - Auftrieb. Mit Chlodwigs Entscheidung wird die päpstliche Kirche höchst wirksam gestärkt, und das päpstliche Rom entwickelt sich (weit über den unmittelbaren Nutzen für das merowingische Franken hinaus) zu einem der großen Machtfaktoren des Mittelalters und zum zentralen Ordnungselement Europas.

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Bevorzugte Literatur zu diesem Artikel:
Friedrich Prinz: Von der Antike zum Mittelalter, aus: Neue deutsche Geschichte (1985) Bd. 1, p.19-30

Das Bild oben zeigt die (phantasievolle) Darstellung der Taufszene Chlodwigs durch Remigius auf einer Elfenbeintafel des 10.Jh. im Musée de Picardie, Amiens.

E-Mail:  drd@dringenberg-history.de Copyright © 2004, Rainer Dringenberg.