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Friedrich_II.

Friedrich II. – Staufer und Normanne

italien. Federico Secondo
Fridericus, eigentlich Roger Friedrich, * 26.12.1194 in Jesi (Ancona) † 13.12.1250 im Castel Fiorentino (Gargano)

Rex Romanorum als Kleinkind 1196
König von Sizilien ab 1198
Deutscher König ab 1212 (1215)
Kaiser des Heiligen Römischen Reichs ab 1220





Er war der Enkel des großen Friedrich I. Barbarossa. Er war der Sohn von Kaiser Heinrich VI. Als Kleinkind wurde er König und später ein Kaiser, dessen Berühmtheit im Mittelalter seinesgleichen sucht. Von Zeitgenossen bekam er bereits das Prädikat „stupor mundi“ (das Erstaunen der Welt) zugesprochen. (1) Das Licht der Welt erblickte der „deutsche“ Stauferkaiser nicht in einem Palast, so hieß es, sondern "auf der Straße", in einem Provinznest Mittelitaliens.


"Das Erstaunen der Welt"

« Der erste moderne Mensch auf dem Thron, Machtmensch, Künstler und Wissenschaftler, Verteidiger der Christenheit oder Antichrist, gnadenlos, tolerant und wissbegierig, stupor mundi (das Erstaunen der Welt) und malleus orbis (der Hammer des Erdkreises) ... » - diese Attribute und noch mehr wurden ihm (teils schon zu Lebzeiten) zugeschrieben...




Gliederung

Wie es dazu kam (1186-1194)
Frühe Kindheit (1194 ff.)
Zeit der Anarchie – anderthalb Jahrzehnte unklarer Verhältnisse (1198-1215)
Herrschaft in Süditalien (1208 ff.)
Herrschaft im Heiligen Römischen Reich (1212 ff.)
Konflikte ohne Ende: König von Jerusalem, exkommuniziert, aber ein friedlicher Kreuzzug – 1221-1230
Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen – 1230-1250
Was bleibt? – Ein Genie auf dem Thron
Friedrich II. mit seinem Falken.
Aus seinem Buch „De arte venandi cum avibus“ („Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen“),
Biblioteca Apostolica Vaticana, Rom (Pal. lat. 1071, fol. 1v, Süditalien/Sizilien 1258-1266)

Wie es dazu kam – Die Vorgeschichte 1186-1194

Kaiser Friedrich I. Reichspolitik (Kaiser 1155 – 1190) hatte an der Südgrenze des Imperiums Erfolg, als es ihm 1186 gelang, sich mit dem Normannenkönig Wilhelm II. (Regent von 1166 bzw. 1171 bis 1189) zu verständigen, dessen Reich, von Sizilien aus, bis nahe an Rom heranreichte. Friedrichs Sohn Heinrich heiratete Konstanze, spätgeborene Tochter des Königs Roger II. und Tante des kinderlosen Wilhelm. 1186 also kam diese Ehe im norditalischen Pavia zustande.

Zu Pfingsten 1194 weilten Heinrich VI. – seit 1191 selbst Kaiser des Hl. Römischen Reichs – und seine schwangere Ehefrau Konstanze, von Burg Trifels in der Pfalz kommend, erneut in Pavia. Der Kaiser musste zum zweiten Kriegszug gen Sizilien ziehen und nahm mit seinem Heer die Route Piacenza, Genua, Pisa. Konstanze wählte den Weg jenseits des Appenin zur Ostküste. Die Wehen mögen ausgerechnet in Jesi (in der heutigen Provinz Ancona, Region Marche) eingesetzt haben, wo der Legende nach die Geburt des Roger Friedrich (nach seinen so Großvätern benannt) öffentlich in einem Zelt stattfand, am 2. Weihnachtstag 1194. Zeitgenössische Gegner der Staufer bezweifelten die Niederkunft der fast 40jährigen. Verlässliche Quellen geben nicht genug hJesier. Jedenfalls musste die Regentin bald weiterziehen, um die politischen Verhältnisse in Sizilien zu ordnen. Heinrich hatte nach siegreicher Schlacht die normannische Königskrone ebenfalls zum Weihnachtsfest 1194 angenommen. Auf sein Geheiß überließ Konstanze in diesen unruhigen Zeiten ihren Neugeborenen der Gattin des Herzogs von Spoleto, einem Getreuen aus württembergischem Adelshaus.


Nascita di Federico II a Jesi, in una tenda, secondo una «fantasiosa tradizione»,
dovuta a Ricordano Malispini

Frühe Kindheit – 1194 ff.

Heinrich verschob die Taufe des Sohnes wohl, um die Verhältnisse im Reich und in Sizilien so zu ordnen, dass mit der Taufe auch Erbfolge und Krönung geregelt würden. Der Dom San Rufino zu Assisi soll Ende 1196 der Taufort gewesen sein, bewiesen ist es nicht. Der Besucher findet heute, gleich hinter der prächtigen umbrisch-romanischen Fassade des Doms, ein in Schmiedeisen gefasstes Taufbecken vor, in dem wenig früher, in den 1180er Jahren, auch Franz von Assisi und seine Gefährtin Klara (Santa Chiara) getauft wurden.

Heinrich sah seinen Sohn wohl nur zweimal auf der Durchreise (im Mai 1195 und Anfang November 1196). Bereits 1197 verstarb der Kaiser in Messina, gerade 32jährig. Konstanze war nur kurze Zeit Alleinherrscherin in Sizilien; sie folgte ihrem Gemahl gut ein Jahr später, Ende 1198. Im Mai des Jahres hatte sie noch ihren dreieinhalbjährigen Sohn zum König von Sizilien krönen lassen.

Königin Konstanze hatte mit den alten Gegnern der Staufer und insofern auch mit dem Machtanspruch Roms erhebliche Probleme gehabt. Sie musste mit dem Heiligen Stuhl verhandeln. Den staufischen Anspruch auf die deutsche Krone vernachlässigend, bestimmte sie Papst Innozenz III. (im Januar erst zum Papst gewählt) zum Vormund des Vollwaisen. Der Papst wusste diese Ausgangslage im Interesse des Kirchenstaates zu nutzen, der sich wie ein Keil zwischen dem riesigen Nordreich und dem Königreich Sizilien ständigen Wachstums erfreute. Innozenz wollte partout vermeiden, dass Sizilien wieder an das Reich angebunden würde (unio regni ad imperium).

Staufer und Normanne

Friedrich ist seiner Herkunft nach ebenso Normanne wie Staufer, also Deutscher (Württemberger). Mutter Konstanze ist Tochter von Wilhelm II., dem Enkel des berühmten Roger II., und damit in direkter Blutsfolge legitimer Stamm des Normannengeschlechts der Hauteville.
[Unter Tankred von Hauteville hatten die Normannen Sizilien im 11. Jahrhundert erobert und stellten 1130 mit Roger II. den ersten König des Landes.]

Der faktische Einfluss auf den Knaben Friedrich lag aber weitestgehend in den Händen unterschiedlicher Erzieher vor Ort. Die Regentschaft in dem Vielvölkergebilde Siziliens brachte ein strenges, zentralistisches Handeln der Herrschenden schon unter Konstanzes Vorfahren mit sich. Friedrich, teils Schwabe, teils Normanne, erfuhr in den wesentlichen Jahren seiner Jugend eine ungewöhnliche Sozialisation für einen Deutschen. Sie dürfte – neben dem entstehenden Herrscherinstinkt des Staufers – aus einem erweiterten Weltbild jener „exotischen“ Umgebung heraus, wesentliche Einflüsse auf seine spätere Offenheit für Kunst und Wissenschaft geleistet haben. Friedrich selbst hat den Quellen zufolge Italien als seine eigentliche Heimat betrachtet. Das milde Klima, die menschliche Wärme, Lebensgewohnheiten und Erinnerungen an die Zeit seiner Jugend, die er in Palermo, verbracht hatte, lassen das nachvollziehen. Die Stadt Palermo bezeichnete er später als pupilla oculorum nostrorum (2):
Der Knabe lernte die Welt mit den Augen eines (normannischen) Sizilianers kennen - und öffnete sich bald auch für weitere kulturelle Einflüsse.


Zeit der Anarchie – anderthalb Jahrzehnte unklarer Verhältnisse (1198-1215)

Mit Konstanzes Tod setzte eine „Zeit der Anarchie“ ein. Die alten Rivalitäten zwischen Staufern und Welfen manifestierten sich darin, dass es ab 1198 vorübergehend zwei Könige gab, Philipp von Schwaben (Kaiser Heinrichs Bruder) und Otto IV. (Sohn Heinrichs des Löwen). Otto schwor dem Papst, dessen Machtbasis in Italien zu respektieren und erhielt damit den Segen für sein Königtum. Philipp hingegen erwies sich als der mächtigere in dieser Gegnerschaft, wobei immer noch wichtige Fürsten auf staufischer Seite standen. Das Problem schien gelöst, als er nach zehn Jahren (1208) ermordet wurde. Der listenreiche Papst Innozenz III. krönte Otto zum Kaiser (1209) – und erhielt dafür bald die Quittung, indem er erleben musste, wie sein Verbündeter den Eid brach und mit seinem Heer nach Italien zog (1210). Otto handelte sich damit den Kirchenbann ein.

Friedrich II. war inzwischen volljährig, wurde Ende 1212 in Frankfurt erneut zum König gewählt und in Mainz gekrönt. Otto führte ab da verlustreiche Rückzugsgefechte, bis Friedrich 1215 abermals gekrönt wurde, diesmal „am rechten Ort“ in Aachen. Dazu unten mehr ...

Herrschaft in Süditalien – 1208 ff.

Als Friedrich anno 1201 ganze sieben Jahre alt war, musste er hautnah erleben, welche Formen die Anarchie annahm, die im germanisch-römisch-sizilianischen Raum herrschte: Marquard von Annweiler, treuer Beamter unter Barbarossa und Berater Heinrichs VI., drang gewaltsam in den Palast von Palermo ein, um klare Verhältnisse zu schaffen: Staufische Parteigänger hielten nach wie vor nichts von Konstanzes Verzicht (für ihr Kind) auf den deutschen Königsthron. Einerseits machtlos als Kind gegen die Ritter Marquards und als Pfand mächtiger Zeitgenossen, andererseits im wachsenden Bewusstsein um seine eigene Bedeutung, dürfte er die Zerrissenheit seiner Gesellschaft am eigenen Leib erfahren haben. Doch seine Zeit war noch nicht gekommen, um aktiv einzugreifen in die Machtkämpfe um sein Reich. Im Ergebnis seiner Jugendjahre kam jedenfalls ein zunehmend scharfsinniger, sprachgewandter und mutiger junger Mann auf die Welt zu.

Sizilien

Die Vormundschaft des Papstes endete 1208 (mit vierzehn Jahren!), doch wusste Innozenz kurz zuvor noch seinen Einfluss zu nutzen und fädelte Friedrichs erste Vermählung ein: mit Konstanze von Aragon. Auch hier wird die Absicht erkennbar, keine neue Verbindung vom Regnum (Sizilien) zum Imperium (dem Römischen Reich) herzustellen, indem womöglich eine deutsche Prinzessin für den König Siziliens gefunden würde. Immerhin brachte die Gemahlin eine stattliche Heerschar mit, die dem jungen Regenten unverzichtbar wurde, um sich fortan auf der Insel – und mehr noch auf dem sizilianischen Festland – durchzusetzen.

Herrschaft im Heiligen Römischen Reich – 1212 ff.

Nun hat Friedrichs Stunde geschlagen: In den nächsten Jahren genießt er offenbar das Wohlwollen des früheren Vormunds. 1212 trifft er Innozenz auf dem Weg nach Norden zum ersten und einzigen Mal. Der sechzehnjährige „Junge aus Apulien“ muss in der Folge – erst einmal unter den eigenwilligen und verfeindeten Städten Norditaliens und dann im Reich nördlich der Alpen – seinen Anspruch als Kaisersohn und König sichtbar machen und durch die Tradition der Wahl und Krönung (vgl.o.) legitimieren.

Friedrich verbringt acht Jahre lang im Imperium, hält Hoftage im deutschen Süden, entwickelt in diesen Jahren eine neue Identität als Staufer und findet in diesem Prozess neue Gefolgsleute. Doch nominell ist Otto IV. immer noch Kaiser, Ottos Einflusssphäre liegt im deutschen Norden. Zum Verhängnis wird ihm jedoch der Pakt mit seinem englischen Onkel, John Lackland (König Ohneland). Im englisch-französischen Krieg wird Otto als englischer Verbündeter bei Bouvines 1214 entscheidend geschlagen. In deutschen Landen hat der Welfe in der Folge ausgespielt. Die Stauferherrschaft etabliert sich zunehmend.

Bei seiner erneuten Krönung 1215 in Aachen lässt Friedrich symbolträchtig die Gebeine Karls des Großen in einen prächtigen Schrein umbetten, er erneuert sein Treuegelöbnis zur Kirche und verspricht feierlich, einen Kreuzzug ins Heilige Land zu unternehmen – unvermeidlich in jener Zeit, aber mit problematischen Folgen, wie sich zeigen wird. Honorius III. war 1216 Innozenz III. auf dem Stuhl Petri gefolgt. Nach schwierigen Verhandlungen, über Jahre hinweg, findet sich eine diplomatische Lösung der Interessenssphären, die sich am Zankapfel Sizilien (als päpstliches Lehen) reiben: Der neue Papst ist bereit, die Kaiserkrönung Friedrichs II. in Rom 1120 zu vollziehen – und baut auf den bevorstehenden Kreuzzug.

Das normannische Königreich Sizilien

Das normannische Haus Hauteville stabilisierte seine Macht über das eroberte Sizilien in den 1130er Jahren durch einen Pakt mit dem Papst: Roger II. wurde als König anerkannt und akzeptierte im Gegenzug die Lehnshoheit des Papstes. Seitdem wurde jedes bedeutendere Regierungshandeln in Sizilien vom Kirchenstaat mit Argwohn beobachtet.




Konflikte ohne Ende:
König von Jerusalem, exkommuniziert, aber ein friedlicher Kreuzzug – 1221-1230

In den nächsten Jahren findet Friedrich keine Zeit zu einem Kreuzzug. Zunächst einmal muss er die Verhältnisse in Sizilien wieder ordnen. Nach so langer Abwesenheit gibt es viel zu tun (vgl.u.). 1222 stirbt Konstanze. Und wieder vermittelt die Kirche eine neue Braut: Die zwölfjährige (!) Isabella von Brienne ist Erbin des Königreiches Jerusalem, sic! Dieses politische Arrangement wird 1225 vollzogen. Friedrich nimmt den Titel eines Königs von Jerusalem an, was nur symbolische Bedeutung hat. Nun wird es höchste Zeit, den feierlich gelobten Kreuzzug anzutreten. Bereits seit 1217 hat eine Welle unterschiedlicher Unternehmungen stattgefunden, die man zusammengefasst als den „5. Kreuzzug“ bezeichnen kann. Zuletzt war auch der Zug nach Damiette 1221 erfolglos beendet worden. Jerusalem befand sich längst wieder in muslimischer Hand.

Im Sommer 1227 soll es endlich soweit sein. In Brindisi sammelt sich eine riesige Streitmacht und sticht in See. Doch es bricht in diesen Menschmassen eine Seuche aus, die viele Opfer fordert – und Friedrich erkrankt von Bord gehen lässt. Der just neu gewählte Papst Gregor IX. empfängt nicht einmal die kaiserliche Delegation, die ihm Bericht erstatten will, – und er exkommuniziert den Kaiser. Davon ungerührt, führt Friedrich im Sommer 1228 erneut ein Kreuzzugsheer an – vom Vatikan als grober Affront verstanden, bleibt er doch exkommuniziert!

Friedrich II. hat längst seine eigenen Methoden zum Einsatz gebracht. Ihm ist die muslimische Seele nicht so fremd, er findet zudem im gegnerischen Sultan ein kongeniales Gegenüber und verhandelt seit einiger Zeit über einen getreuen Emir mit ihm, um unnötiges Massensterben zu verhindern. Die Diplomatie behält in diesem Fall die Oberhand, obwohl der fanatische Papst und die Vertreter der Kirche nicht davor zurückschrecken, mit unsauberen Mitteln den Friedensschluss verhindern zu wollen. Im Februar 1229 wird ein zehnjähriger Waffenstillstand geschlossen, Jerusalem, Bethlehem und andere Orte werden übergeben, nur der muslimische Tempelbezirk bleibt in diesem Kompromiss unangerührt. Materiell hat es sich für die Kirche nicht wirklich gelohnt!
Der Kaiser muss bis zum Folgejahr warten, ehe er vom Bann gelöst wird.


Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen – 1230-1250

Das Hochmittelalter sieht seinem Ende entgegen. Kaiser Friedrich II. kämpft auf dem Höhepunkt kaiserlicher Machtenfaltung auf mehreren Ebenen und an mehreren Fronten zugleich. Der ständige Konflikt zwischen den päpstlichen und kaiserlichen Machtansprüchen wird noch gut zehn Jahre lang von Gregor IX. mit Scharfsinn und List aufrechterhalten. Im politischen Gefecht setzt das päpstliche Lager zunehmend die Methode der Denunziation ein, wofür ein so „moderner“ Regent leicht Angriffsflächen bietet. Zuletzt benutzt der Papst ein zweites Mal (1239) die Waffe des Kirchenbanns. Obwohl dieses Mittel sich nicht unmittelbar auf alle Untertanen auswirkt, kommt es all denen gelegen, die daraus eigenen Nutzen ziehen wollen.

Geistliche versus weltliche Macht

Das Hochmittelalter stand mehr oder weniger durchgängig im Zeichen eines Machtkampfes zwischen Kaiser und Papst. Wer sollte das Oberhaupt der Christenheit sein? Wem oblag die Amtseinsetzung der Geistlichkeit (Investitur)? Wessen Rechtssprechung entschied? Es wurden sogar Gegenpäpste vom Kaiser eingesetzt und Gegenkönige oder -kaiser vom Papst. Während die weltliche Herrschaft der Großen des Mittelalters mit Kaiser Friedrich II. zur Mitte des 13.Jh. ihren Gipfel überschreitet, erreicht die päpstliche Weltherrschaft erst 50 Jahre später, mit Bonifaz VIII., ihren Höhepunkt.

Während Friedrich als König von Sizilien einen absoluten Machtanspruch durchsetzen kann, muss er im Römischen Reich viele Zugeständnisse an seine Territorialherren machen. Dieser Prozess ist nicht neu, nimmt aber an Bedeutung zu – angesichts der Tatsache, dass der Kaiser, weit ab vom Schuss, seinen Lebensschwerpunkt im Süden behält. In deutschen Landen sieht man ihn nur zweimal.

Eine besonders brisante Region im Imperium ist und bleibt Norditalien. Der lombardische Städtebund erleidet 1237 eine gewaltige Niederlage. Doch der kaiserliche Triumph mündet nicht in einen tragfähigen Friedensschluss. Um Mailand scharen sich weiterhin einige selbstbewusste Stadtregierungen, die zudem davon profitieren, dass die Päpste sich schon lange mit ihnen gut stehen, um sie als Gegengewicht zur Macht des Kaisers zu instrumentalisieren. So kann Friedrich sich in diesem Reichsgebiet bis zuletzt nicht überall durchsetzen.

Auch familiär ist Friedrich das Glück nicht dauerhaft beschieden. Sein Sohn Heinrich (VII.), den er als König in DeutsPorphyrsargchland regieren ließ, lehnt sich gegen ihn auf, wird schließlich inhaftiert und stirbt 1242. Friedrichs zweite Gemahlin Isabella stirbt 1228 mit der Geburt ihres Sohnes Konrad IV. (Konrad sollte seinen Vater nur um vier Jahre überleben.) Eine dritte Ehe führt den Kaiser (inzwischen vierzigjährig) 1235 mit der Schwester des Königs Henry III. von England zusammen, sie heißt ebenfalls Isabella. Politisch markiert das eine Versöhnung mit dem Hause Plantagenet (England) und den Welfen.

Friedrich II. wird sehr alt für seine Zeit. Er stirbt kurz vor Vollendung seines 56. Lebensjahr am 13. Dezember 1250 in Apulien, nahe Lucera. Friedrichs monumentaler Porphyrsarkophag ist im rechten Seitenschiff der Kathedrale von Palermo zu besichtigen, er steht vor dem von Roger II. (und neben denen von weiteren Mitgliedern der Familie). Das Geschlecht der Staufer endet unrühmlich mit den letzten beiden Erben 1266 und 1269.

Was bleibt? – Ein Genie auf dem Thron

Wenn die Geschichtsschreibung auf das politische Handeln eines Herrschers abstellt, wird man über Kaiser Friedrich II. ein Pro und Contra an staatsmännischer Leistung und persönlicher Haltung, ein Auf und Ab an Erfolgen in Diplomatie und Kampf berichten. Die andere Seite des Herrschers hingegen nötigt uneingeschränkt Respekt und Bewunderung ab. Friedrich soll nicht weniger als sechs Sprachen beherrscht haben; Latein und Griechisch, aber auch Arabisch, standen in seiner Präferenzskala womöglich weiter vorne als das Mittelhochdeutsche. Bevor in Siziien mit den Normannen christliches Kulturgut nach und nach die Oberhand gewann, stand die große Insel auch im 12.Jh. noch ganz im Zeichen arabischer Kultur. Handwerk, Kunst und Wissenschaft wurden durch Araber geprägt. Friedrich nahm viel davon in sich auf. Arabische Verwaltungsfachleute benötigte er dringend für die Umsetzung seiner zentralistischen Herrschafts- und Verwaltungsreform, alles das ist einmalig für das hohe Mittelalter.

Friedrich lässt Dutzende von Juristen ein Gesetzeswerk erarbeiten, das 1231 als „Konstitution von Melfi“ zum ersten weltlichen „Gesetzbuch“ in Europa führt, ganz auf die Person des Herrschers abgestellt. Das ruft großes Erstaunen hervor – und besonderes Misstrauen einer Kirche, die um ihren Einfluss bangt. Mit einem ungewöhnlich durchorganisierten Verwaltungsapparat entsteht ein Staatswesen, das für manche Historiker den Absolutismus vorwegnimmt.

Diese Leistung zählt noch mehr zum Herrschertypen Friedrich. Doch lässt sie sich nicht trennen von dem Menschen, der mit scharfer Beobachtung, Neugier und Wissensdurst Denker, Dichter (3) und andere Künstler an seinen Hof lädt und viel von ihnen lernt. Seit den 1220er Jahren entfaltet sich – um ihn als Mittelpunkt – ein in Europa einmaliges Kulturleben, das er aktiv mit gestaltet. Die italienische Dichtungssprache soll an seinem Hof entstanden sein, und er versuchte sich selbst darin. Das Sonett entsteht in Palermo als neue (musikalische) Gedichtform. Friedrichs Besonderheit im Abendland liegt zudem darin, dass er so klug ist, auch mit jüdischen und arabischen Gelehrten Kontakte zu pflegen, nicht zuletzt im Kontext metaphysischer Fragen, was ihn abermals in Kirchenkreisen verdächtig macht. Doch Philosophie und Theologie ziehen ihn weniger an als die Naturwissenschaften. In Neapel gründet er die erste Staatsuniversität (also von der Kirche unabhängig errichtet), und in Salerno pflegt er die berühmteste medizinische Hochschule Europas.

Seine originäre Leistung entsteht aus der Empirie, einer systematischen Beobachtung der Vogelwelt, besonders der Falken, und seinen Folgerungen für die Falkenjagd. Man sagt, dass sein eingangs angeführtes Buch darüber bis in die Moderne Bestand hatte. Nach eigenem Bekunden arbeitete Friedrich 30 Jahre lang an diesem einmaligen Werk.
Auch Castel del Monte, sein architektonisches Meisterwerk, zeugt von dem starken Interesse an Mathematik und Astronomie, doch scheint diese Schöpfung der 1240er Jahre bis heute nicht entschlüsselt zu sein. Als Festungsbau im Grunde ungeeignet, mag es als Jagdschloss für den begeisterten Falkner gedacht sein, das von seinem Hügel aus einen herrlichen Blick über die Landschaft Apuliens bietet. Zugleich liegt die Interpretation als Status-Symbol nahe. Der oktogonale Grundriss verweist demnach auf die Kaiserkrone. Er zitiert womöglich das christliche Grundverständnis der Zeit (vgl. Karls Pfalzkapelle in Aachen) ebenso wie klassische (auch antike) Vorbilder, zum Beispiel den islamischen Felsendom in Jerusalem. Wenn man dieses wundersame Bauwerk (wie wir 1993 als Touristen) betritt, kann man nur einen geringen Teil der mathematischen und astrologischen Anspielungen erahnen, die von der Wissenschaft durch Vergleichsmessungen nahegelegt werden. Doch je nach Sonnenstand und Schattenwurf neigt man durchaus zu Gedanken dieser Art, mit denen der geniale Bauherr seine Bauleiter herausgefordert haben dürfte.
Man ist sich einig in der Feststellung, dass Kaiser Friedrich selbst niemals seine Burg bewohnte, die nicht nur voller Symbole steckt, sondern auch für das 13.Jh. besonders wohnlich eingerichtet war.

Bei aller ernsthaften Befassung mit seiner realen Umwelt und deren kultureller Einbindung sei nicht vergessen, dass der Schöngeist Friedrich es sehr wohl verstand, auch bei anderen weltlichen Genüssen auf seine Kosten zu kommen. Die genaue Zahl illegitimer Kinder zum Beispiel ist nicht bekannt. Immerhin soll seine Ernährung im ständigen Kontakt mit seinen Medizinern relativ vernünftig geblieben sein. Von seinem luxuriösen, auch orientalisch beeinflussten Hofleben wird manches berichtet, aber von seinen Gegnern – vorzugsweise aus Kirchenkreisen – wird der „Pascha“ in ihm doch bis zur Unglaubwürdigkeit kolportiert. Friedrichs Geisteshaltung und sein konkretes Leben war seiner Zeit voraus – unPortad musste unter seinen Zeitgenossen umstritten bleiben.

Wenn man heutzutage in Deutschland Friedrich Zwei erwähnt, denken die meisten wohl an den Preußenkönig des 18.Jh. In Italien ist Federico Due (korrekter: Secondo) unverwechselbar der große Herrscher des Mittelalters, der weniger als Deutscher denn als Italiener, als Sizilianer bekannt ist und dessen Spuren man von Sizilien bis hinauf nach Mittelitalien an zahlreichen Stellen aufspüren kann; zwei Beispiele (auch als Reiseempfehlungen) sind Castiglione am Trasimenischen See in Umbrien oder Montefalco (4), auch in Umbrien.

 


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Anmerkungen:

(1) Der Satz vom „stupor mundi et immutator mirabilis“ wird einem Mönch und Historiker in St.Albans um die Jahrhundertmitte zugeschrieben. Knut Görich, in: Damals 10/2010
(2) Vgl.u.a. Claudia Litti, in http://www.stupormundi.it
(3) Nur ein Beispiel: Aus dem mittelhochdeutschen Sprachraum verfolgte auch Walther von der Vogelweide das Leben des Herrschers mit Wohlwollen.
(4) Ursprünglich Coccurione genannt (römisch), war diese Stadt im 13.Jh. reichsunmittelbar, lehnte sich aber gegen den Kaiser auf und wurde deshalb 1249 zerstört. Friedrich ließ sie jedoch sofort wiederaufbauen. Fortan hieß der Ort Montefalco (Falkenberg!). Die Stadtmauer des 13.Jh. weist die Porta Federico auf – mit der Jahreszahl 1244.

Weitere Literatur:
Wolfgang Stürner, Friedrich II.
Knut Görich, Die Staufer
Martin Erbstösser, Die Kreuzzüge
Horst Fuhrmann, Die Päpste
Werner Goez, Lebensbilder aus dem Mittelalter
Stefania Mola, Castel del Monte

Nach mehrfachen Eindrücken (von Mittelitalien bis Sizilien) im Sommer 2011 verfasst.

E-Mail:  drd@dringenberg-history.de Copyright © 2004, Rainer Dringenberg.