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Theophanu

(Theophano, Theophania) * um 960 (in Byzanz) † 15. Juni 991 in Nimwegen

Prinzessin, Königin, Kaiserin und Herrscherin

 

Diese ungewöhnliche Heiratsurkunde von Otto II. und Thephanu
(im Besitz des Niedersächsischen Staatsarchivs)
kann als schöne Kopie auch in Quedlinburg betrachtet werden,
halb-öffentlich: im "Café Theophano" am Markt.

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Eine byzantinische Prinzessin
auf dem Thron des ostfränkischen Reiches

Wenn man an die Verkehrsmittel des 10. Jahrhunderts denkt, mutet es fast unvorstellbar an, dass ein sächsischer Herrscher über diese Entfernung auf Brautwerbung geht. Doch ganz so ungewöhnlich ist es nicht, die Gemahlin aus der Fremde zu wählen. Die machtpolitische Konstellation lässt es erklären – und die Tatsache, dass Heiratspolitik wesentlicher Motor der Erhaltung und Erweiterung von Macht und Einfluss ist. Die Mittelmeerwelt war seit der Frankenzeit dreigeteilt; das engere Gebiet des späteren Europas kannte zwei große Machtblöcke, das Frankenreich und Byzanz. Mit dem Ende der karolingischen Herrschaft hatten Sachsen (Ottonen) die Macht übernommen. Schon König Heinrich I. hatte seinen Sohn Otto mit einer englischen Königstochter (Edgitha) vermählt. Und Otto (I.) selbst hatte, wenige Jahre nach seiner Kaiserkrönung, Gesandte in Byzanz um eine kaiserliche Prinzessin als Braut für seinen Sohn und Thronerben (Otto II.) werben lassen. Doch erst nach einem Umsturz in Byzanz ging der Usurpator und neue oströmische Kaiser Johannes I. Tzimiskes auf Ottos Werben ein und sandte seine Nichte Theophanu.

Theophanu wurde um 960 geboren und zwölfjährig (!) als Braut Ottos II. (seit 967 Mitkaiser im - westlichen - Imperium Romanum) nach Italien verschifft. Erzbischof Gero von Köln und Bischof Liudprand von Cremona begleiteten das Mädchen zu ihrem siebzehnjährigen Bräutigam. Ihre gefahrvolle Reise nahm viele Wochen in Anspruch, verlief aber weitgehend durch das Herrschaftsgebiet Ostroms, das auch den Süden Italiens mit umfasste. Dann folgte eine längere Landreise, mutmaßlich von Kalabrien über Benevent nach Rom.

Die gebildete und energische Theophanu hatte "Deutsch" gelernt und hinterließ bereits in Rom bleibende Eindrücke. Dazu mag man sich Pracht und Prunk einer vielleicht "orientalisch" anmutenden Prinzessin mit ihrem Gefolge vorstellen, um das Aufsehen zu verstehen, das diese bemerkenswerte junge Frau im Reich hervorrief - und später auch das Ansehen, das sie genoss. Am 14. April 972, Sonntag nach Ostern, fand die Hochzeit statt. Papst Johannes XIII., der mit den Ottonen gut stand und schon Otto II. zum Mitkaiser gekrönt hatte, nahm die Trauung vor. Theophanu wurde wohl auch gleich zur Kaiserin gekrönt. Anfänglich hatte es einige Aufregung gegeben, dass nicht eine erwartete Kaisertochter aus Byzanz eintraf, keine „in Purpur Geborene“ (Porphyrogenneta), sondern "nur" eine Prinzessin aus hohem byzantinischem Adel. Manche Widerstände gegen die "Fremde" und Missgunst wurden dadurch noch gefördert, setzten sich aber gegen die Entscheidung Ottos des I. - und Theophanus Persönlichkeit - nicht durch.

Kaiserin Adelheid und das italische Königreich

Adelheid von Hochburgund (931-999) war die Tochter eines Königs, die nach dessen Tod und Machtübernahme durch den König von Italien mit dessen Sohn Lothar verlobt wurde. Nach Lothars frühem Tod 950 heiratete Otto I. (nach dem Ableben seiner englischen Gattin Edgitha) die Witwe Adelheid. So avancierte das Königspaar zum Kaiserpaar (962). Otto regierte nunmehr über zwei Königreiche und wurde darin von seiner tatkräftigen – und auch als Christin sehr geschätzten – Gemahlin unterstützt.
Adelheid hatte aber verwandtschaftliche Beziehungen über ihre schwäbische Mutter zu den Liudolfingern; sie nahm später wiederholt Partei im Familienstreit der Sachsen, was sich konfliktträchtig auf ihre Beziehung zur Schwiegertochter Theophanu auswirkte.

Theophanu bildete eine Ausnahmeerscheinung am sächsischen Hof, dessen Führung schon ein Jahr später, nach Vater Ottos Tod, an ihren Gemahl überging. Sie machte den Hof Ottos II. bald zu einem kulturellen Zentrum, das Wissenschaftler, Theologen und Künstler anzog. Sie rückte wie selbstverständlich als consors regni, particeps imperii neben ihrem Gatten an die Spitze der sozialen und politischen Hierarchie, und machte damit ihrer Schwiegermutter, der ebenso tatkräftigen und selbstbewussten Kaiserin Adelheid, den Rang streitig.

Theophanus und Ottos Kinder waren: Adelheid (* 977, später reichsfürstliche Äbtissin in Quedlinburg), Sophie (* um 976, später Äbtissin von Gandersheim), Mathilde (* 979, erzogen im Stift Essen, später verheiratet mit Pfalzgraf Ezzo), eine weitere Tochter, die nur als Verstorbene in einer Stiftungsurkunde aufscheint und Otto (* 980, der spätere Otto III.)

Einfluss, Macht und Schicksalsschläge

Während eines Italienzuges starb Otto II. (983) in Rom, mutmaßlich an Malaria. Am darauffolgenden Weihnachtstag, ehe die Nachricht vom Tod des Vaters eingetroffen war, wurde Otto III. dreijährig (!) in Aachen zum König gekrönt. Kaiserin Theophanu führte inzwischen den bemerkenswerten männlichen Herrschertitel: Theophanius Imperator, Theophanu divina gratia imperatorix augusta. Sie übte entgegen den Bestrebungen vieler Fürsten die Regentschaft aus, assistiert von Erzbischof Willigis von Mainz und Bischof Hildebald von Worms. Sie zeigte Selbstbewusstsein, Tatkraft und dip­lomatisches Geschick, so z.B. bei der Aussöhnung mit ihrem Widersacher Heinrich der Zänker. (Dieser hatte, um eigene Thronansprüche durchzusetzen, den minderjährigen König vorübergehend in seine Gewalt gebracht.) Ostern 986 lud Theophanu die Großen des Reiches zu einem glanzvollen Hoftag in Quedlinburg, um dem jungen König endlich mit allen Ehren huldigen zu lassen. Adelheid – immer noch Kaiserin – fand nach dem Tode ihres Sohnes (Otto II.) zu ihrer Schwiegertochter zurück und unterstützte sie bei der Konsolidierung des Reiches.

Nach weiteren fünf Jahren der Regentschaft, die dem Reich Beruhigung der Außengrenzen und Prosperität brachten, starb Theophanu, etwa 31 Jahre alt, am 15. Juni 991 in Nijmegen. Theophanu wurde – ihrem Wunsch entsprechend – in ihr Lieblingskloster St. Pantaleon in Köln überführt. Die unverwüstliche, nunmehr sechzigjährige Kaiserin Adelheid trat wieder auf den Plan und übernahm die Vormundschaft für ihren elfjährigen Enkel.

Von Theophanu bleibt heute physisch ihr (moderner) Sarkophag im südlichen Querhaus der Klosterkirche St. Pantaleon. Diese war von Brun (Bruno), Otto I. jüngstem Bruder, Kanzler des Reichs, Herzog und später Erzbischof von Köln, gegründet worden, von Theophanu erweitert und ausgestattet. Theophanu blieb dieser Stätte stets sehr verbunden, nicht zuletzt wohl, weil Pantaleon (wie Cosmas und Damian) als griechische Ärzte und Märtyrer aus ihrer Heimat stammten.

Theophanu zählt gewiss zu den starken Frauen des späten Frühmittelalters. Die Prinzessin aus Byzanz galt zeitweilig als der mächtigste Mensch Europas und war (vielleicht in Konkurrenz zu Adelheid) jedenfalls die einflussreichste Frau ihrer Zeit. Sie hat in besonderer Weise die Geschichte des Römischen Reichs im 10. und bis ins 11.Jahrhundert hinein geprägt.

Der Umlauftext auf diesem neuzeitlichen Marmorsarkophag in St.Pantaleon (Umbettung und Neuausstattung erfolgten erst im 20.Jh.) kann unter Wikipedia nachgelesen werden.

Sarkophag externer Link mit Quelle

 

 

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